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Gute Beispiele Klimaschutz

Klimaschutz und Energiewende finden statt im Landkreis Miesbach. Lassen Sie sich von den Beispielen auf dieser Seite für Ihre eigene Energiewende inspirieren.
Die Liste wird laufend erweitert. Wenn Sie ein "Gutes Beispiel" kennen, das hier platziert werden sollte, melden Sie sich bei der Klimaschutzmanagerin Mona Dürrschmidt im Landratsamt.

13.12.2017

Heiße Entscheidung - Geothermie in Holzkirchen

Ein großer Bohrturm in der Alten Au, zwischen B318 und A8, kündigte das größte Projekt zur umweltschonenden Energieversorgung an, das es jemals im Landkreis Miesbach gab: die hydrothermalen Geothermie-Bohrungen der Marktgemeinde Holzkirchen. Weit über 40 Millionen Euro kostet das Unterfangen die Holzkirchner. Schwierig kalkulierbare Risiken und mehrere Rückschritte pflasterten den steinigen Weg des riesigen Projekts. Doch jetzt ist klar: Beide Bohrungen haben ausreichend heißes Thermalwasser gefunden, sodass der klimafreundlichen Wärme- und Stromproduktion in Holzkirchen bald nichts mehr im Wege stehen wird.

Im Erdinneren herrschen mehrere Tausend Grad heiße Temperaturen, die Gestein und in den Hohlräumen enthaltenes Wasser (sogenanntes „Thermalwasser“) erwärmen. Moderne, umweltfreundliche Energieversorgung versucht, sich diese heißen Temperaturen zu Nutze zu machen. Unterschieden wird dabei zwischen oberflächennaher und tiefer Geothermie: Bei der tiefen oder hydrothermalen Geothermie werden Gesteinsschichten in mehreren Tausend Metern Tiefe angebohrt, um das heiße Thermalwasser dort zu erschließen. Das Süddeutsche Molassebecken zwischen Donau und Voralpen ist dafür besonders geeignet, denn der „Malm“ aus dem Jura-Zeitalter ist hier porös genug, um genügend Thermalwasser zu führen. Gleichzeitig ist das darüberliegende Gestein fest genug für die Tiefenbohrung. Es ist also nicht verwunderlich, dass 18 der 33 erfolgreichen Geothermie-Bohrungen in Deutschland im Münchner Umland liegen. Experten gehen davon aus, dass durch die tiefe Geothermie über 50 Prozent des Energiebedarfs in Deutschland gedeckt werden könnten. Hinzu kommen die zahlreichen oberflächennahen Bohrungen, die Wärme aus wenigen Hundert Metern Tiefe ziehen und beispielsweise einzelne Häuser versorgen können.

In Holzkirchen wird das Thermalwasser gleich doppelt genutzt; sowohl für die Wärme-, als auch für die Stromproduktion. Dahinter steckt ein komplexes System: Zunächst wird das heiße Thermalwasser durch den natürlichen Druck in der Bohrleitung Richtung Erdoberfläche gepresst. Die Thermalwasserpumpe bringt das Wasser aus der Förderbohrung zu Tage, wo es dann zur Energiegewinnung genutzt wird. Das Thermalwasser fließt durch einen in sich geschlossenen Kreislauf und erhitzt dabei über Wärmetauscher ein „Arbeitsmittel“. Der Dampf des „Arbeitsmittels“ treibt eine Turbine mit Generator an. Der so produzierte Strom wird ins öffentliche Stromnetz eingespeist.

In einem zweiten, in sich geschlossenen Kreislauf, gibt das Thermalwasser mittels Wärmetauscher die Energie in die Wärmezentrale ab, von wo aus sie ins Holzkirchner Fernwärme-Netz weiterverteilt wird. Das abgekühlte Thermalwasser wird über die Reinjektionsbohrung wieder in den Untergrund zurückgeführt. Beide Bohrungen zusammen, Förderbohrung und Reinjektionsbohrung, nennt man „Dublette“. Mit dieser Prozedur wird der Erde nur Wärme, aber kein Wasser entzogen, denn der Wasserkreislauf bleibt immer in sich geschlossen.

Damit die Erdwärme optimal ausgenutzt werden kann, haben sich die Experten in Holzkirchen einen Clou überlegt, um Wärme und Strom gleichzeitig mit einer Bohrung produzieren zu können. Würde man wie in vielen anderen Geothermie-Projekten andernorts nur die Wärme weitergeben, bliebe zirka Dreiviertel (!) der möglichen Energieleistung ungenutzt. Zusätzlich arbeitet man in Holzkirchen bei der Stromerzeugung mit zwei Druckstufen; Hochdruck (bei ca. 150-100 Grad) und Niederdruck (bei ca. 90-55 Grad). Im Hochdruckteil lassen sich positive Effekte beim Wirkungsgrad erzielen, durch die Zwischenauskopplung ist die Nutzung der Fernwärme optimaler zu erreichen. Energetisch gesehen bringt das einen großen Vorteil: Schwankungen im Wärmebedarf können leichter ausgeglichen werden. Das heißt: Wenn weniger Wärme benötigt wird, kann mehr Strom erzeugt werden.

Die Idee, sich in der Marktgemeinde Geothermie zu eigen zu machen, geisterte schon seit Mitte der 2000er in Holzkirchen, erinnert sich Albert Götz, Leiter der Gemeindewerke. Ursprünglich entschied sich der Marktgemeinderat sogar schon 2012 für die Geothermie. Allerdings waren damals noch zwei separate Bohrplätze geplant, verbunden durch oberirdische Leitungen, rund 70 Millionen Euro teuer. Doch die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) unterbrach die Planungen und machte diese letztendlich unbrauchbar.

Das neue Konzept wurde zunächst deutlich abgespeckt. Beide Bohrungen sollten nun an einem Ort, in der Alten Au, durchgeführt werden. Außerdem wurde die Kraftwerksleistung verkleinert. Trotzdem werden Investitionskosten von weit über 40 Millionen Euro anfallen. Vor- und Nachteile wurden ausgiebig diskutiert, vom Marktgemeinderats-Tisch bis zu den Stammtischen. Wie sicher waren die Risikokalkulationen? Würde man tatsächlich auf das benötigte Thermalwasser stoßen? Was, wenn nicht? Ende April 2015 rangen sich die Marktgemeinderäte zu einer Entscheidung durch: Mit 17 zu acht Stimmen entschieden sie sich für die Geothermie. Allerdings: Um den Prozess besser begleiten zu können und nötigenfalls die Mitsprache der Marktgemeinde zu sichern, wurde das Projekt zerlegt. Jeder einzelne Arbeitsschritt wurde aufwendig separat geplant und vergeben. So sollte das Risiko möglichst gering gehalten werden.

Kein Ergebnis gefunden.

 

Der Plan ging auf: Beide Bohrungen wurden in gut 5.000 Metern Tiefe fündig. Die abgelenkten Bohrungen erreichten Längen von 5.600 und 6.084 Metern Tiefe. Die Bohrarbeiten sind seit dem Frühjahr 2017 abgeschlossen. Im Herbst begann der Bau der Wärmezentrale, wo künftig Wärme an das Holzkirchner Fernwärmenetz abgegeben wird. Im Frühjahr 2018 wird der Bau des Heizkraftwerks folgen. Parallel dazu wird das Fernwärmenetz ausgebaut und an die bestehenden Wärmeinseln angeschlossen. Ziel ist es, mit der Wärmeversorgung noch 2018 und mit der Stromeinspeisung Anfang 2019 zu starten.

Mittlerweile sieht Götz den Fortschritt des Vorhabens entspannter. Doch er gibt auch zu: Die Risiken haben auch ihn zu Beginn beunruhigt. Rückschritte haben ihm immer wieder schlaflose Nächte bereitet, schließlich läuft der Betrieb 24 Stunden am Tag – Rufbereitschaft rund um die Uhr inklusive. „Unsere Wunschvorstellung vom Anfang hat sich nicht ganz erfüllt“, sagt Götz, „aber letztendlich ist alles gut gegangen.“ Es gab kritische Momente, erinnert er sich. Beispielsweise als sich der Bohrkopf in 3.000 Metern Tiefe festgesetzt hat. „Da mussten wir „Ums-Eck-Bohren“, und das im Blindflug so weit unten“, erklärt er das schwierige Unterfangen.

Trotz der Risiken und der Schwierigkeiten vor und während der Bohrungen war es die richtige Entscheidung: Holzkirchen hat mit der kombinierten geothermischen Wärme- und Stromproduktion nicht nur einen großen, sondern auch richtungsweisenden Schritt Richtung umweltfreundlicher Energieversorgung im Oberland gewagt.

Das bisherige Energienetz wird durch die Gemeindewerke Holzkirchen weiterentwickelt. Es gibt bereits seit 25 Jahren ein gut ausgebautes Fernwärmenetz mit drei Wärmeinseln, das nun um einige Trassen auf über 25 Kilometer erweitert wird. „Ideale Ausgangbedingungen zur Verteilung der geothermischen Wärme“, sagt Götz. Deshalb und auch wegen der immensen Logistik wäre beispielsweise ein Hackschnitzel-Nahwärmenetz keine praktikable Alternative. Die bisherigen Erzeugungseinheiten in den drei Wärmeinseln, bestehend aus Blockheizkraftwerken und Gas-Spitzenlastkesseln, werden zurückgefahren, bleiben aber zur Sicherheit als Redundanzanlagen erhalten. Hinzu kommt die Stromeinspeisung, die wichtig zur Finanzierung des Mega-Projekts ist. „Die Gemeindewerke waren immer schon auch Stromversorger und wollen hier geeignete Alternativen für die Zukunft anbieten“, betont Götz.

Mit der Geothermie sind die Holzkirchner unabhängig von Sonne und Wind und verfügen trotzdem über eine umweltfreundliche Energiequelle. Umgerechnet 50.000 Liter Heizöl sollen so pro Tag weniger verbraucht werden. Das bedeutet eine immense Einsparung von 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr.

Das Risiko, das die Marktgemeinde Holzkirchen mit der hydrothermalen Geothermie-Bohrung auf sich nahm, war groß. Einige Rückschritte schürten die Bedenken immer wieder. Doch das Ergebnis zeigt: Der Mut hat sich gelohnt und Holzkirchen ist nun auf der Zielgeraden für die umweltschonende Wärme- und Stromversorgung einer ganzen Marktgemeinde. „Die Energieversorgung der Zukunft hat viele kleine Bausteine“, glaubt Götz. Und die Geothermie in Holzkirchen ist ein bedeutender Bestandteil davon.

Autor: Sophie-Marie Stadler, Fotos: Marktgemeinde Holzkirchen