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21.09.2022

Schulterschluss für Krankenhaus Agatharied gefordert

Gesundheitsminister, Landrat und Klinik-Vorstand beraten über wirtschaftliche Rahmenbedingungen 

Es war ein Treffen mit gemischten Gefühlen zwischen Staatminister Klaus Holetschek, Landrat Olaf von Löwis, Krankenhaus-Agatharied-Vorstand Benjamin Bartholdt und Stavros Kostantinidis, dem Vorsitzenden des Freundeskreises des Krankenhauses: Einerseits war die Freude groß über den Förderscheck über 3,3 Millionen Euro aus dem Krankenhauszukunftsfonds, den der Staatsminister den Vertretern aus dem Landkreis Miesbach für den Ausbau der Digitalisierung im Krankenhaus überreichte. Andererseits stimmen extreme Preissteigerungen die Vertreter mehr als nachdenklich: Energie, Medizinprodukte und Dienstleistungen verteuern sich stark, der „Basisfallwert“, anhand dessen Krankenhäuser ihre Betriebskosten von den Krankenkassen erstattet bekommen, bleibt aber annähernd gleich. Landrat und Klinik-Vorstand wollten den Gesundheitsminister auf die prekäre wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser aufmerksam machen – und stießen auf offene Ohren. Der Minister betonte: „Bayern setzt sich bereits seit Wochen dafür ein, dass die Bundesregierung die immer stärkere finanzielle Belastung der Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen auffängt. Deswegen haben wir eine entsprechende Bundesratsinitiative zu den außerordentlichen Steigerungen bei Energie- und Sachkosten gemeinsam mit Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein eingebracht. Der Bund muss zudem Anschlussregelungen für ausgelaufene Coronahilfen und Schutzschirme schaffen.“ Zugleich war es den Landkreis-Vertretern ein Anliegen, auf die besondere Situation in Agatharied hinzuweisen.

Erst in der vergangenen Woche ließ das Kreiskrankenhaus Agatharied verlauten: Sie unterstützen die Initiative „Alarmstufe Rot“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Eine Initiative, die auch den Landrat als Verwaltungsratsvorsitzenden der Klinik aufhorchen lässt: „Unsere Krankenhäuser sind nach über zwei Jahren Pandemie gebeutelt und jetzt lässt die große Politik genau diese Krankenhäuser, die uns durch die Pandemie gerettet haben, mit extremen Preissteigerungen im Regen stehen.“ Die Preise und deren Entwicklungen sind bei klinischen Leistungen gesetzlich festgeschrieben; Kostensteigerungen können also nicht weitergegeben werden. Der Basisfallwert, den die Krankenhäuser erhalten, steigt in Bayern 2023 um zwei bis drei Prozent bei einer gleichzeitigen Kostensteigerung alleine bei den Sachkosten von sechs bis zehn Prozent. Dabei noch nicht berücksichtigt sind Steigerungen bei Personalkosten.

Neben der Preis-Kosten-Schere sprachen der Landrat und der Klinik-Vorstand mit dem Gesundheitsminister auch über Lösungsansätze beim Fachkräftemangel, die Investitionsfinanzierung und die überbordende Bürokratie im Gesundheitswesen. Gemeinsam schicken sie einen Appell in Richtung Bundesgesundheitsministerium, das verantwortlich ist für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser: „Wir brauchen alle Aufmerksamkeit und Rückenwind, um mit unseren Themen, die die regionale Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger sichern, nach Berlin durchzudringen. Ich bin froh, dass wir in Bayern einen Gesundheitsminister haben, der auch in so herausfordernden Zeiten immer ein offenes Ohr für unsere Probleme hat und uns unterstützt“, sagt Landrat von Löwis.

Vorstand Benjamin Bartholdt sieht die Zukunft einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung unter den derzeitigen Rahmenbedingungen akut bedroht: „Die Corona-Krise hat wie ein Brandbeschleuniger auf bereits bestehende Probleme gewirkt. Die wirtschaftliche Situation der Kliniken, der Fachkräftemangel und die Bürokratie haben sich noch verschärft. Und dabei ist Corona in den Kliniken noch längst nicht vorbei, auch in Agatharied behandeln wir teils unter erheblichem Mehraufwand weiterhin Corona-Patienten.“ Eine zusätzliche Energie- und Inflationskrise werde viele Krankenhäuser im Bestand bedrohen, sagt Bartholdt. „Unser Krankenhaus ist für unsere Region absolut versorgungsnotwendig. Wir behandeln jedes Jahr über 20.000 stationäre und 30.000 ambulante Patienten. Aber alleine schon für den Betrieb der medizinischen Geräte benötigen wir viel Energie. Zudem erhalten wir quasi täglich neue Ankündigungen unserer Lieferanten, die ihre Preise erhöhen müssen. Von Arzneimitteln über Blutprodukte, Lebensmittel, Verbrauchsmaterial – in vielen Bereichen steigen die Sachkosten im zweistelligen Prozentbereich. Ohne ein rasches und beherztes Eingreifen der Bundespolitik wird auch unser Krankenhaus diese Krise nicht allein bewältigen können.“

Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Holetschek erläuterte: „Die Lage vieler Krankenhäuser ist dramatisch – ja mancherorts sogar existenzbedrohend. Immer mehr Einrichtungen fragen sich, ob bzw. wie lange sie die Finanzierung des laufenden Betriebs überhaupt noch stemmen können, vom nächsten Jahr gar nicht zu reden. Ohne schnelle und unbürokratische Hilfen vom Bund sind Insolvenzen angesichts massiver Steigerungen der Energie- und sonstigen Sachkosten kaum zu vermeiden.“ Der Minister erläuterte: „Die Verantwortlichkeiten sind klar geregelt: Die Länder tragen die Kosten für die Klinik-Infrastruktur etwa durch regelmäßige Baumaßnahmen. Der Bund steht bei den Betriebskosten in der Pflicht, weil die an sich zuständigen Krankenkassen nicht noch zusätzlich belastet werden dürfen.“

„Ein beherztes und schnelles Eingreifen der Bundespolitik ist unerlässlich“, bekräftigt Landrat von Löwis. „Der Landkreis und der Kreistag stehen voll und ganz hinter unserem Krankenhaus Agatharied. Aber wir brauchen Unterstützung und fordern einen Schulterschluss zwischen Politik, Kliniken und Bevölkerung, um die regionale Gesundheitsversorgung dauerhaft zu gewährleisten.“